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Es ist nur zu deinem Wohl

Samstag 27. Dezember 2008

Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [français]

Eine übersetzte und etwas abgeänderte Version des Textes, der auf französisch in Non Fides IV publiziert wurde.

Schüler/in, es ist zu deinem Wohl, dass du Morgens um 7 Uhr aufstehen und deinen Tag zwischen vier Wänden verbringen musst, um deinen Lehrern zuzuhören, um zu schweigen und zu gehorchen, um ohne Mükschen deine Lektionen auswendig zu lernen; dass du deine Pausen dann nimmst, wenn man es dir sagt; es ist zu deinem Wohl, dass du deine Eltern zu achten hast, egal wass sie tun oder sagen, dass du dem Direktor Respekt zeigen musst, auch wenn er ein riesen Arschloch ist. Ebenso ist die üble Pampe, die man dir in der Kantine als Essen serviert, nur zu deinem Wohl, du sollst schliesslich nicht stören, wenn du einmal grösser bist.

Arbeiter/in es ist zu deinem Wohl, dass die Arbeit zur Pflicht wurde und die Fabriken und Bürokomplexe erbaut worden sind, dass dir dein Boss schreiend Befehle erteilt. Es ist zu deinem Wohl, dass es Überstunden gibt, und dass die Gewerkschaften in deinem Namen sprechen, um auf deinem Rücken den Preis für die Lohnsklaverei zu verhandeln; schliesslich existiert das Geld nur zu deinem Wohl, denn womit sonst sollte dich dein Boss bezahlen? Es ist zu deinem Wohl, dass du deinen Körper und deinen Geist für die Landesökonomie opfern musst, für den Gott namens Kapital.

Bürger/in, es ist zu deinem Wohl, dass du abzustimmen und deine Meister zu wählen hast, jene, die diese beste der möglichen Welten organisieren; es ist zu deinem Wohl, dass man dich untersucht und befragt, und es ist zu deinem Schutz, dass die Bullen Tag und Nacht patruillieren; es ist für deine Sicherheit, dass du dir eine freiwillige Bürgerwehr aufbauen kannst, um den Inneren Feind in den Strassen zu jagen, um das Wohlgefühl zu vervollständigen, dass dir Überwachungskameras, RFID-Chips und Polizei-Fichen geben.

Jugentliche/r, es ist zu deinem Wohl, dass man tagsüber nicht auf der Strasse herumlungern darf, dass man am Abend und auch in der Nacht nicht auf der Strasse herumlungern darf. Es ist zu deinem Wohl, dass du schliesslich auf deine dummen und unnützen Utopien verzichten musst, um zu lernen, was Vernunft ist. Es ist zu deinem Wohl, dass man Wachmänner und Diebstalsicherungen in den Läden aufstellt, denn es wäre besser, wenn du mit deinem Midestlohn krepierst, bevor du noch unehrlich wirst. Es ist zu deinem Wohl, dass man dich formt, dich berädt, dass man dich in Schranken weist und dich orientiert, dass man dich einordnet und reintegriert, dass man dich ungefährlich macht...

Illegale/r Migrat/in, es ist zu deinem Wohl, dass man dich kontrolliert und in Polizeigewahrsam hält, oder sogar in einem der schönen Ausschaffungsknäste; da der Kapitalismus nicht alles Elend der Welt aufnehmen kann, dass er selbst erzeugt, ist es nur zu deinem Besten, das sie dich einsperren, ausbeuten und "ins Heimatland zurückführen". Nicht dass du noch deine Wurzeln vergisst, deine Identität, dein Patriotismus; es ist zu deinem Wohl, dass die Internierungszentren, von Stacheldraht umgeben sind, denn die Flucht ist gefährlich, ganz wie die Freiheit im Allgemeinen. Es ist zu deinem Wohl das man dich verprügelt, und dir erzählt, dass du besser daran getan hättest, "bei dir" zu bleiben. Es ist um dein Gefängnis zu verstärken und angenehmer zu machen, dass es von Caritas und dem Roten Kreuz mitverwaltet wird, es ist nur zu deinem Wohl.

Bombardierte Bevölkerung, in Lager geworfen, Geiseln von staatlichen Kriegen, es ist zu eurem Wohl, dass man eure Häuser platt macht, dass auch die Macht wie Kanonenfutter behandelt, dass ihr die "kleinen Kollateralschäden" seit; so wie man den Wohlstand durch den Knüppel erlangt, lernt man durch Bomben, Napalm, Minen und den Tod, was Demokratie und Fortschritt sind.

Gefangene/r, es ist zu deinem Wohl, dass die Wärtergewerkschaften mehr Personal, dickere Mauern und den Bau von neuen Knästen fordern, denn es hat ja nicht sowieso schon genug. Es ist zu deinem Wohl, dass die Polizei einschreitet, wenn es zu Unruhen kommt, denn dass Gefängniss ist ja so gewaltvoll... Es ist zu deinem Wohl, dass man dir Lebenslänglich verhängt, denn draussen wärst du eine Gefahr für dich selbst, und wenn man dir eine elektronische Fussfessel umbindet, dann nur um dich an der Leine zu halten, fals dich der Geschmack nach Freiheit überkommt.

Arme/r, es ist zu deinem Wohl, dass man euch die Kultur auf einem Palett herbeiträgt und die Kunst gleich um die Ecke, wie eine Avant-Guarde der sozialen Befriedung, um euch zu zeigen, dass der soziale Aufstieg möglich ist, mit etwas gutem Willen und Vorstellungskraft. Denn auch mit etwas Farbe lassen sich die Taschen füllen, und wenn ihr euch nicht aus eurem Elend holt, dann ist es wohl eure Schuld.

Es scheint nur zu unserem Wohl zu sein, dass diese Scheisswelt so weiterbesteht wie sie ist, dass wir die Freiheit auf dem Randstein liegen lassen, wie einen schlechten Scherz.
Es scheint zu unserem Wohl zu sein, dass alles an seinem Platz bleiben muss: Das Geld, das man hat oder das mangelt, die Bosse, die die Güte besitzen, uns "Arbeit anzubieten", die Bullen, die Staatschefs und jene, die davon träumen, ihren Platz einzunehmen, die Banken, die Atomkraftwerke und ihre Abfälle auf jeder Parzelle der Erde, die Hochspannungsleitungen, die Autobahnen und die Autos, die Kameras an jeder scheiss Strassenecke, die massenhaft verschlungenen Beruhigungsmittel, die Soldaten und ihre so fortschrittlichen Waffen, die Industrie, wenn sie auch eine Fabrik von Sklaven, Krebsgeschwühren und Verstümmelungen ist, die Ware, selbst wenn sie uns erdrückt und uns das Leben raubt; die Familie und die Religion, die uns wie menschliches Vieh abrichten, die Biometrie und die bedrückende Kontrolle, die Medizin und die Abhängigkeit, die sie impliziert, das Gefängnis und seine Unterwerfung, die Schulen und ihre Domestizierung, die Wahlen und ihre Illusionen, die Maschinen die Maschinen produzieren und uns nach ihrem Abbild gestalten, die Fabriken, die schlicht ein weiteres Gefängnis darstellen, diese Gesellschaft und ihre falsche Freude, die Politik und ihr falsches Elend, die Autorität, als beschwichtigende Refferenz, auf dass alles zur Vertiefung des herrschenden Nihilismus tendiert.

Wir spucken auf diesen Paternalismus, der stets genauso stinkend wie wohlwollend daherkommt, der uns ebensoviele Versprechen von materiellem Konfort anbietet, wie Knüppelschläge in den Ecken. Nicht die geringste zur Beruhigung verbreitete Lüge kann uns glauben machen, dass die Knechtschaft Glück ist, dass die Autorität Freiheit verspricht, dass die Angst Ursprung des Schaffens ist, das die generalisierte Domestizierung und Ausbeutung den Weg zur Emanzipation öffnet.

Wenn wir einen Teil der Gewalt, den sie uns noch nicht entreissen konnte, in die Fresse der Macht zurückschicken, dann erinnert sie sich daran, dass es nicht zu ihrem Wohl ist, wenn wir revoltieren, sondern für ihr totales und definitives Verschwinden.


Eine übersetzte und etwas abgeänderte Version des Textes, der auf französisch in Non Fides IV publiziert wurde.